Die Nuba Berge

Republik Sudan: Offroad mit Omar

Hört man den Namen von Leni Riefenstahl im Zusammenhang mit Sudan, dann fallen einem ihre Bücher mit einzigartigen Fotos der Nuba ein. Omar war Augenzeuge ihres letzten Besuches in Sudan, der sie auch zu den Nuba führte.
Was ihn auszeichnet, sind seine Kenntnisse über Land und Leute, der Gradseiner Vernetzung mit Angehörigen von Ministerien, Botschaften, internationalen Firmen sowie in- und ausländischen Archäologen. Er verfügt über Organisationstalent, Ausgeglichenheit und die Fähigkeit zu improvisieren. Er kennt Land und Leute und meistert auch die schwierigsten Situationen. Die Rede ist von Omar Mohammed Juma, der mit seiner Familie in Khartoum lebt und durch seine langjährige Tätigkeit als Fahrer im Land eine gewisse Bekanntheit hat. Jobs für große Firmen in Irak und Saudi-Arabien brachten ihm nützliche Auslandserfahrungen. Viele wichtige Ereignisse hat er aus seiner Perspektive erlebt und in Sudan Prominente aus aller Welt, die seine Englischkenntnisse schätzen, sicher transportiert. Er ist Spezialist in der Zusammenstellung von Touren durch den Sudan, von geologischen Expeditionen bis zu Erkundungen archäologischer Stätten. Außer dem Direktor der Archäologieabteilung im Ministerium für Kultur kennt möglicherweise nur er sämtliche Archäologen und weiß genau, wann wer zu welchem Ausgrabungsort kommt – denn er ist seit vielen Jahren dabei und kennt die Geschichten um spektakuläre Ausgrabungserfolge. Auch bei prominenten Gästen sind seine Dienste willkommen.

Mit Leni Riefenstahl in Alreka

Während der Fahrt durch das große Land (viermal so groß wie Deutschland) gibt es oft längere Strecken off-road, die sich gut eignen, Geschichten zu erzählen. In einer dieser authentischen Geschichten geht es um Leni Riefenstahl (1902 – 2003). Sie war wohl die umstrittenste und gleichzeitig einer der erfolgreichsten Künstlerinnen Deutschlands. „Im Jahr 1999 bekam ich den Auftrag, den Aufenthalt von Leni bei den Nuba zu organisieren. Leni war mit der Lufthansa in Khartoum gelandet, zusammen mit einem deutschen Fernsehteam, einem Kameramann, einem Freund, einem Koch, einem Manager und einigen Fotografen.

Unser Organisationsteam sollte zum Ziel vorausfahren. Es bestand aus insgesamt sechs Fahrzeugen und 10 Leuten: Vier 4WD, ein Pick-up und mein Landrover, den ich selbst steuerte. Wir beluden die Autos mit Wasser, Verpflegung und Matratzen und starteten in Khartoum. Unser Ziel war Alreka in Süd-Kordofan, ein Dorf des Stammes der Nuba Massakin. Dort war ein großes Fest für Leni geplant. Die erste Etappe endete in Kadugli, wir richteten uns in der Nähe des Marktes unter einem Baum zur Übernachtung ein. Am nächsten Morgen besorgte ich vom Militär die Genehmigung für die Weiterfahrt und offroad ging es nach Areka. Dort wurden wir vom Dorfchef Sultan Musa sehr freundlich empfangen. Ich kündigte ihm für den nächsten  Tag den Besuch von Leni an und sagte ihm, dass Leni gute Erinnerungen an Areka habe und das Wiedersehen mit den Bewohner kaum erwarten könne.

Leni kannte Sultan Musa von früher. Sultan Musa war hocherfreut und unsere Gruppe genoss seine großzügige Gastfreundschaft. Am nächsten Tag hörten wir im Radio, dass Lenis Hubschrauber in Kadugli wegen Reifenproblemen nicht abfliegen konnte. Also wurden wir gebeten, mit sechs leeren Autos nach Kadugli zu kommen, um Leni und ihre Begleiter abzuholen. Mit Militär-Eskorte ging es die rund 80 km sehr schlechte off-road Strecke nach Kadugli – es dauerte mehrere Stunden. Als wir ankamen, holten wir Leni im dortigen Gästehaus ab. Mit zwei weiteren Autos transportierten wir Leni und 13 Personen ihrer Begleitung, ferner einige Soldaten und das gesamte Gepäck – Berge von Koffernund Kameras.  Als wir am Abend in Areka ankamen, waren sämtliche Dorfbewohner auf den Beinen: Tanzend und singend bereiteten sie Leni einen großartigen, farbenfrohen Empfang. Leni schien alle zu kennen, sie lachte, amüsierte sich bestens und traf dann mit Sultan Musa zusammen. Beide waren sehr glücklich über das Wiedersehen. Neben dem Haus des Sultans waren inzwischen die Zelte aufgebaut und es war alles für die Nacht vorbereitet – Leni hatte ihr eigenes Zelt.

Salutschüsse mit Folgen

Am nächsten Morgen gab es zu Ehren von Leni eine große Nuba Wrestling Veranstaltung (spezieller Ringkampf), die zwei Stunden dauerte. Schafe wurden zu Lenis Ehren geschlachtet und im Haus des Sultans von vielen, farbenfroh gekleideten Helferinnen zubereitet. Damals war die Gegend friedlich, Sultan Musa sprach mit jedermann, auch mit vielen bewaffneten Leuten der SPLM (Oppositions- Partei der Sudanesischen Freiheitsbewegung), die mit ihren Gewehren zum Einkaufen auf dem Markt waren. Leni war sehr glücklich, trank Tee, applaudierte den Ringern und ging dann zum Mittagessen zurück zu den Zelten. – Um 13:00 Uhr landete der inzwischen reparierte Hubschrauber im Zentrum von Areka. Die SPLM-Leute hörten das und da sie wussten, dass mit Leni Prominenz im Dorf war, feuerten sie etwa eine halbe Stunde später ihre Gewehre ab – Salutschüsse, die einen unvorstellbaren Lärm verursachten – es klang so, als sei ein Krieg ausgebrochen. Sie meinten es gut, aber es hatte katastrophale Folgen: Alle Autos ergriffen die Flucht, sämtliches Gepäck und die Kameras wurden zurück gelassen. Sie fuhren um eine Ecke, dort stand der Hubschrauber und nachdem der Kapitän gesagt hatte, dass er sofort abfliegen würde und zehn Passagiere mitnehmen könne, stiegen Leni, die Mitarbeiter vom sudanesischen Informationsministerium, die für ausländische Medien zuständig waren und das deutsche Fernsehteam ein und flogen ab. Unter den Zurückgebliebenen waren u. a. die sechs Fahrer und der deutsche Koch. Wir blieben eine weitere Nacht in Areka, beluden am nächsten Tag die Autos mit dem Gepäck und den Kameras und fuhren über Kadugli und Delench (Stadt in Süd-Kordofan) nach Al Obeid. In Al Obeid hörten wir, dass der Hubschrauber dort wegen notwendiger Einkäufe auf dem Markt zwischengelandet und beim erneuten Start nach Khartoum verunglückt war: Er war 6 Meter hoch geflogen, dann wie ein Stein zu Boden gefallen und zur Seite gekippt. Alle hatten überlebt, aber Leni hatte gebrochene Rippen, der Kameramann eine gebrochene Schulter und weitere Insassen waren mit gebrochenen Armen und Beinen davongekommen. Die sudanesische Regierung und die deutsche Botschaft in Khartoum sandten ein Flugzeug, das die Verletzten nach Khartoum brachte, wo ihre Reise im Krankenhaus endete“.

Auf die Frage, woran er sich besonders gern erinnert, meint er: „Es war eine große Ehre für mich, die Unterhaltung zwischen Sultan Musa und Leni zu dolmetschen. Und im Nachhinein hat es für mich große Bedeutung, beim letzten Besuch von Leni in den Nuba Mountains dabei gewesen zu sein und erlebt zu haben, sie sehr die Einheimischen sie liebten. Außerdem war es wirklich beeindruckend zu sehen, dass Leni noch gut gehen konnte, geistig völlig fit war und ihren Aufenthalt bei den Einheimischen richtig genossen hatte – trotz ihres hohen Alters“. War er danach wieder in dieser Gegend? „Ja, ich habe z. B. vor den Wahlen in Kadugli im Auftrag der Regierung von Süd Kordofan eine Volkszählung durchgeführt und war Fahrer für die Weltbank und für eine Ölpipeline- Firma“.

Text und Fotos: Barbara Schumacher

 

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