Shaab Rumi

Shaab Rumi | Précontinent II

Der Name dieses Saumriffs bedeutet übersetzt „Riff der Römer“. Es liegt auf der Höhe von Marsa Daror, 9 Seemeilen vor der Festlandküste. 1,2 Seemeilen lang und 0,5 Seemeilen breit bildet es an seinem Südende eine langgezogene Riffzunge aus.
Bekannt wurde Shaab Rumi durch Jacques-Yves Cousteau und seine legendäre Unterwasserstation Précontinent II. Mit dieser erforschten er und sein Team 1963 das Leben im Meer. Der Film, den er dabei drehte, faszinierte Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. An den Überresten dieser Station kann auch heute noch in die Geschichte eintauchen. Sie liegen auf der Westseite des Riffs. Um an diesem Platz zu tauchen wird entweder direkt bei der Forschungsstation geankert, oder man wählt den geschützten Ankerplatz in der Lagune. Er dient auch als nächtlicher Liegeplatz. Die große Lagune hat auf der Westseite zwei sehr schmale Zufahrten und gibt dem Riff eine für das Rote Meer untypische Gestalt. In der Mitte erreicht sie eine Tiefe von über 40 Metern. An ihren Zufahrten können erlebnisreiche Nachttauchgänge durchgeführt werden.
Markantester Überrest von Cousteaus Unterwasserdorf ist der sog. Seeigel auf seinen drei Stelzen, an dem seinerzeit U-Boote an die Forschungsstation andocken konnten. Wie schön, wenn man diesen heiligen Gral der Unterwasserwelt nach langer Zeit wieder besucht und ihn unberührt und von klarem Wasser umspült wiederfindet. Man nähert sich der ummantelten Luftblase von unten, passiert die von wunderschönen Weichkorallen bewachsenen Stützpfeiler und dringt durch eine Öffnung im Boden ein. Der Raum ist zwar begrenzt, drei oder vier Personen finden hier aber immer problemlos Platz. Und diese können sogar im oberen Bereich die Tauchermasken abnehmen, und hier die von zahlreichen Vorgänger-Tauchern ausgeatmete Luft erneut inhalieren – die vielleicht internationalste Luft der Welt…
Interessierte können sich am östlichen Plateauansatz noch einem von Cousteaus alten Haikäfigen widmen und einen Blick auf die gleich daneben befestigte Gedenktafel werfen, die an einen 1993 tödlich verunglückten österreichischen Taucher erinnert. Für jeden Geübten ein Muss ist auch das Durchtauchen des länglichen und oben spitz zulaufenden sog. Werkzeugschuppens. Ein sehr zutraulicher Schwarm von Süßlippen lässt diesen Shot zum Traum für jeden Unterwasserfotografen werden. Mit geübtem Blick und etwas Glück entdeckt man auch einen Steinfisch, der gut getarnt auf Beute lauert. Im Flachbereich kann es zu Begegnungen mit Grauen Riffhaien kommen, die zusammen mit Weißspitzen-Riffhaien über das Plateau ziehen. Manchmal statten auch Delphine dem Riff einen Besuch ab. Leider begrenzt der viel zu schnell verbrauchte Luftvorrat jeden Tauchgang.

Shaab Rumi | Süd Plateau

Einer der schönsten Tauchplätze des Sudans, manche sagen das vom gesamtem Roten Meeres, stellt dieses Plateau dar. Cousteau hatte das Shaab Rumi Riff für seine Forschung ausgesucht, da es einen Artenreichtum an Unterwasserfauna zu finden gibt, wie kaum an einem anderen Platz im Roten Meer. Vor allem das Südplateau zählt zu den Tauchplätzen, die ein „Muss“ für alle Sudanbesucher darstellen. Die senkrechten Außenwände verlieren sich im tiefen Blau und bilden den Übergang zum Reich der Großfische. Da Shaab Rumi wie eine Nadel aus der Tiefe des Roten Meeres hervor stößt, ist häufig mit Strömung zu rechnen. Diese sorgt aber auch für die Begegnung mit unterschiedlichen Haiarten.
Hier herrscht eine Farb- und Artenvielfalt, die einen jeden Tauchgang zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lässt. Die Riffwand ist auf den oberen 15 bis 20 Metern stark zerklüftet und bildet zahlreiche Höhlen und Spalten aus. Darunter schließt sich das zungenförmige Plateau an, das bis auf 30 Meter absinkt. Parallel zu seinem Ansatz befindet sich ein kleiner Kanal. Die mit zahlreichen Hartkorallen bewachsene Außenseite des Plateaus fällt steil in die Tiefe ab. In 55 Metern Tiefe schmiegt sich ein schmaler Schräghang an das Südende. An diesem langen Ausläufer in das Freiwasser, der Südwestspitze, die die Attraktion dieses Platzes ausmacht, ziehen die Big Boys vorbei. Hier patrouilliert im Freiwasser neben Silberspitzenhaien häufig auch eine Schule von Bogenstirn-Hammerhaien. Taucht man ein wenig ins Blaue hinaus, können diese zurückhaltenden Meeresbewohner mit etwas Glück auch ganz aus der Nähe beobachtet werden. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass nicht hektisch auf sie zu geschwommen wird, weil die scheuen Jäger sonst schnell wieder in den Tiefen des offenen Meeres verschwinden. Doch Vorsicht: Die Strömung kann den Taucher sehr schnell ins Freiwasser ziehen, ohne dass er die Chance hat, das Riff wieder aus eigener Kraft zu erreichen.
Nach einem Ausflug zur Südspitze kann anschließend das Plateau in seiner gesamten Pracht erkundet werden. In der Mitte steht ein pilzartiger, wunderschön bewachsener Korallenblock. Der Grund ist mit Gorgonien, Leder- und Steinkorallen bedeckt, auf denen Drachenköpfe auf vorbei schwimmende Beute lauern. Am Südostende sind zahlreiche Peitschenkorallen zu bewundern, zwischen denen Juwelen-Fahnenbarsche umher huschen. Über diesen zieht ein großer Schwarm Barrakudas seine Kreise. Hier ist auch das Revier der Grauhaie, für die Shaab Rumi so berühmt ist. Mögen die Zeiten auch vorbei sein, als sie noch offiziell gefüttert wurden, so ist doch ein Zusammentreffen mit den bis zu knapp 2 Meter langen neugierig die Taucher begrüßenden Raubfischen ein ganz besonderer Nervenkitzel – und ein Highlight, mit dem jeder Taucher nur zu gerne sein Logbuch ziert.
Zur richtigen Jahreszeit im Spätfrühjahr ist das Plateau obendrein das Ziel der Hochzeitsreise aller Zackenbarsche der Art Epinephelus fuscoguttatus. Zu Dutzenden, wenn nicht gar zu Hunderten, tummeln sie sich dann um die Korallenblöcke, um letztlich gemeinsam abzulaichen. Die Tiere sind knapp 1 Meter lang und dienen nach vollendeter Fortpflanzung nicht selten den Grauhaien als willkommener Snack.
Doch selbst jetzt ist das große Shaab Rumi Erlebnis noch nicht zu Ende. Während der Austauchphase heißt es die Steilwand hinauf bis in den 5-Meter-Bereich zu genießen. Schon wer vom Fuße der Wand aus der Oberfläche blickt, traut seinen Augen kaum: So üppig sind die Schwärme all der Makrelen, Seeraben, Kupfer-Schnappern, Einhorndoktorfische und Süßlippen vertreten, die hier hin und her patrouillieren, während sie aus jeder Nische heraus von Rotfeuerfischen, Muränen und Zackenbarschen unterschiedlicher Art beäugt werden. Mit etwas Glück gesellt sich obendrein noch eine Meeresschildkröte dazu. Kaum irgendwo sonst in der weltweiten Unterwasserwelt erlebt man die Vielfalt und Dichte der Flossenträger so intensiv wie hier. Es ist die schiere Masse an Fisch, die von Fahnenbarschgröße bis zum XXL-Format reicht, die uns hier beindruckt.

Die Ostseite

Bei der zeitweise auftretenden Strömung können an dieser Seite schöne Drifttauchgänge durchgeführt werden. Die Riffwand fällt steil in das tiefe Blau ab. Am südlichen Ende der Ostseite findet der Taucher ab 20 Meter einen schmalen Schräghang. In 30 bzw. 60 Meter Tiefe schmiegen sich kleine stufenartige Vorsprünge in den Abhang. Die gesamte Wand ist wunderschön bewachsen, und riesige Gorgonien strecken ihre Fächer in die Strömung. Fahnenbarsche und die unterschiedlichsten Falterfischarten stehen dicht am Riff. Schwärme von Kupfer-Schnappern und Stachelmakrelen ziehen an der Wand entlang. Vor allem in den Morgenstunden steigen pelagische Großfische aus der Tiefe empor. Bei einem Tauchgang können, neben verschiedenen Haiarten, gelegentlich auch Mantas angetroffen werden. Am Südende, im Bereich des Plateauansatzes, kann im Flachbereich eine kleine Ansammlung von Anemonen bewundert werden. Aufgrund des attraktiven Südplateaus werden Tauchgänge an der Ostseite leider nur selten unternommen.

Das Nordplateau

Die häufig auftretende Nordströmung sorgt auf dem dreistufigen Plateau für einen schönen Stein- und Weichkorallen-Bewuchs. Der erste Absatz befindet sich im Flachwasser bei 3 bis 4 Metern Wassertiefe. Zahlreiche Doktor- und verschiedene Falterfische bevölkern das spärlich bewachsene Riffdach. Bis in eine Tiefe von 12 Metern schließt sich ein Schräghang an, der stellenweise mit Kolonien weißer und blauer Geweihkorallen besiedelt ist. Am Fuße dieses Hanges schließt sich die zweite Plateaustufe an. Sie senkt sich stetig bis 30 Meter und ist mit zahlreichen Weichkorallen bewachsen. Der Fischreichtum ist auf dem Plateau nicht so groß wie an der Steilwand, an der zahlreiche Fische und andere Riffbewohner die Korallen mit quirligem Leben erfüllen. Unterhalb eines Abhanges beginnt in ungefähr 60 Metern Tiefe die dritte Stufe, auf deren Nordende ein größerer Korallenhügel steht. Im Kanal zwischen Hügel und Abhang zeichnen sich manchmal Silhouetten von Hammerhaien ab. Vor allem in der Zeit vom Spätsommer bis zum Herbst ziehen sie häufig jenseits der für den Sporttaucher erreichbaren Grenzen ihre Bahnen. Auf der Ostseite schwimmen im flacheren Bereich Schwarmfische wie zum Beispiel Stachelmakrelen, Kupfer-Schnapper und Rotmeer-Füsiliere am Riff entlang.

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