Wingate Riff mit Umbria

Wingate Riff

Unmittelbar vor der Hafeneinfahrt von Port Sudan liegt das Wingate Reef. Bekannt geworden ist es durch Hans Hass, der 1948 an der dort auf Grund liegenden „Umbria“ tauchte. Auf Grund des nahen Hafens sind die Sichtverhältnisse an diesem Riff häufig schlecht. Weil obendrein auch der Artenreichtum an Unterwasserfauna nicht überragend ist, wird außer an der „Umbria“ am Wingate Reef nur selten getaucht.
Mit etwas Glück finden sich dort allerdings zu bestimmten Jahreszeiten standorttreue Mantas ein, die entlang der Riffkante ihre Kreise ziehen. So knapp schwimmen sie dabei an der Wasseroberfläche, dass ihre Flossenspitzen – Haien nicht unähnlich – weit aus dem Wasser herausragen. Um diese ebenso verspielten wie neugierigen Meeresriesen nicht zu erschrecken, sollten Taucher bzw. Schnorchler ganz vorsichtig ins Wasser gleiten.

Umbria

Im Mai 1940 wütet der zweite Weltkrieg in Europa. Trotz des Balkankonfliktes ist es bis zu diesem Zeitpunkt noch zu keiner offenen Auseinandersetzung zwischen dem faschistischen Italien und der britischen Krone gekommen. Zur Versorgung italienischer Truppen in Aden wird die „Umbria“ ende Mai 1940 in Genua, Livorno und Neapel mit diversem Kriegsmaterial beladen. Das 1935 vom Passagierdampfer zum Material- und Truppentransporter umgebaute Schiff wurde bereits zuvor für solche Fahrten verwendet. In den fünf Laderäumen werden über 360.000 Bomben sowie 60 Kisten mit Brandbomben und anderen Sprengmitteln verstaut – des weiteren Autos, Flugzeugteile sowie Zementsäcke und andere Baumaterialien. Ihre Route führt die „Umbria“ über Messina in Sizilien nach Port Said, von wo aus sie durch den Sueskanal und das Rote Meer nach Ostafrika fahren soll. Nach dem Einlaufen in Port Said am 3. Juni bunkert sie noch einmal 1000 Tonnen Kohle und 130 Tonnen Wasser. Hier gehen 23 britische Navy-Soldaten sowie 2 Lotsen an Bord. In Anbetracht des bevorstehenden Kriegseintritts zwischen Italien und England wird die Kanalpassage bewusst verzögert. So verlässt die „Umbria“ mit ihrer brisanten Fracht erst 3 Tage später Suez. Von nun an verfolgt sie das Kanonenboot „Grimsby“. Es stoppt den Frachter in Höhe von Port Sudan mit der Begründung, sie befinde sich in britischen Hoheitsgewässern. Daraufhin geht die „Umbria“ am 9. Juni am Wingate Riff vor Anker. Unter dem Vorwand das Schiff nach Schmuggelware durchsuchen zu wollen, werden unter der Führung von Leutnant Steves 22 Soldaten vom neuseeländischen Kreuzer „Leander“ an Bord gebracht. Sie besetzen sofort die strategisch wichtigen Punkte und beginnen eine zeitraubende Durchsuchung. Am Nachmittag erfährt Kapitän Muiesan in seiner Kajüte über Funk, dass Italien um 19.00 Uhr den Kriegszustand ausrufen wird und mit den ersten Kriegshandlungen ab 0.00 Uhr des kommenden Tages zu rechnen ist. Muiesan ist klar, dass er keine Zeit mehr verlieren darf, damit die strategisch bedeutsame Ladung nicht in feindliche Hände fällt. Zusammen mit dem ersten Offizier Radolfo Zarli und dem Bordingenieur Carlo Costa plant er die Versenkung. Schwierigkeiten bereitet ihnen hierbei die unauffällige Evakuierung der Besatzung. Schließlich schlägt Muiesan Leutnant Steves vor, eine Rettungsübung durchzuführen, die dieser in der Hoffnung, die „Umbria“ noch weiter festhalten zu können, genehmigt. Während die Italiener mit der Übung beginnen, erreicht Steves auf der Brücke die Nachricht von schwerem Wassereinbruch im ganzen Schiff. Nach einigen Minuten und mit zunehmender Schlagseite des Schiffes wird ihm klar, dass er den Untergang nicht mehr verhindern kann. Wutschnaubend nimmt er mit seinen Soldaten an der „Rettungsübung“ teil. An Bord der „Gimsby“ teilt ihm Muiesan den Kriegseintritt Italiens mit, und dass er den Befehl zur Selbstversenkung gegeben hatte. Er geht daraufhin mit seiner Besatzung noch vor dem Kriegsausbruch in Kriegsgefangenschaft nach Indien.

Trotz der gefährlichen Lage in der Hafeneinfahrt von Port Sudan wird die „Umbria“ nicht geborgen. Um das Wrack mit seinen zum Teil noch aus dem Wasser ragenden Davits wird eine Verbotszone ausgesprochen und dieses anschließend sich selbst überlassen.

Neun Jahre nach ihrem Untergang erweckt die „Umbria“ das Interesse des damals 30 Jahre alten Hans Hass. Seine Kontakte zum Gouverneur von Port Sudan ermöglichen es ihm schließlich auf seiner legendären Xarifa-Expedition, an der „Umbria“ zu tauchen. Sein Foto- und Filmmaterial trug erheblich zum Mythos des Wracks bei. Inzwischen zählt die „Umbria“ zu den bekanntesten Wracks im Roten Meer. In Sichtweite vor Port Sudan gelegen bildet sie zumeist den Auftakt oder das Ende einer Tauchsafari. Auch wenn die Sammelwut so mancher Taucher hier ihre Spuren hinterlassen hat, hat die alte Dame mit der explosiven Fracht nichts von ihrem Scharm verloren. Die Untergangsstelle ließ sich lange Zeit problemlos an den vier Davits erkennen, die auf der Steuerbordseite aus dem Wasser ragten. Mittlerweile sind diese aber verschwunden, nachdem verantwortungslose Taucherschiff-Kapitäne immer wieder dort angedockt hatten. Der sedimentreiche Untergrund, die unmittelbare Lage zur Hafeneinfahrt sowie die geringen Strömungen tragen häufig zu einer verminderten Sicht bei.

Das Wrack liegt 75° zur Backbordseite geneigt. An den intakten Bug schließen sich die drei vorderen Laderäume an. Mittschiffs finden sich die Mannschaftsquartiere sowie die Brücke. Zum Heck folgen zwei weitere Laderäume sowie das Achterdeck. Sowohl die Laderäume als auch die Mittschiffsaufbauten lassen sich bequem erkunden.

Aufgrund der extremen Schräglage sowie der gefährlichen Ladung ist jedoch äußerste Vorsicht beim Anfassen von Gegenständen geboten. Nähert man sich dem Bug der „Umbria“ aus dem freien Wasser, so zeichnet sich der steil aufragende Bug Steven mit dem Flaggstock mystisch im grünlichen Wasser ab.

Die beiden Ankerketten verlaufen zum Grund – die „Umbria“ lag ja vor Anker, als sie versank. Die Ankerwinsch und die Reling sind mit Korallen überzogen. Die Deckbeplankung ist zum Teil noch in einem erstaunlich guten Zustand. Die kleinen Ladeluken sind ein Hinweis auf das Alter des Schiffs. Im ersten Laderaum, dessen Zugang sich auf dem Vordeck befindet, lagern neben der allgegenwärtigen Munition Holzkisten, elektrisches Material sowie Flugzeugreifen. Im zweiten, etwas größeren Laderaum finden sich Bomben, Granaten sowie Stielhandgranaten. Die von den Sprengkörpern getrennt aufbewahrten Zünder liegen nahezu in jedem Laderaum verteilt herum. Der dritte Laderaum zählt zu den am meisten besuchten. Neben Zementsäcken und anderem Baumaterial finden sich hier Weinflaschen und Marmeladengläser.

Durch einen schmalen Durchlass back- bzw. steuerbords gelangt man in der ersten Ladeebene in den Mittschiffsbereich, wo drei Fahrzeuge stehen. Die Fiat 1100 Lunga wurden speziell für den Geländeeinsatz in den italienischen Kolonien konzipiert. Leider hinterließen bereits etliche Taucher an den Fahrzeugen ihre Spuren. Das feine Sediment lässt bereits nach kurzer Zeit die Sicht auf null sinken, so dass nach Möglichkeit dieser Schiffsteil mit kleinen Gruppen in größeren Abständen besucht werden sollte. Der Mittschiffabschnitt mit der Brücke und seinen Aufbauten kann problemlos auch schnorchelnd erkundet werden. Steuerbords liegt auch ein einzelner Baderaum mit WC, Badewanne und einem aus Emaille bestehenden Waschbecken.

In den gewaltigen Maschinenraum gelangt man entweder über eines der geöffneten Oberlichter hinter dem Schornstein oder durch die von achtern zugängliche Werkstatt. Der mehrstöckige Raum ist in den oberen Abschnitten leicht zu betauchen, die unteren bleiben erfahrenen Tauchern vorbehalten.

Laufroste grenzen die zahlreichen Aggregate ein. Auf dem Meeresboden zur Backbordseite der Aufbauten hin liegen Windhutzen, Ladebäume, der abgebrochene Schornstein sowie ein Rettungsboot. In Richtung des Hecks schließen sich zwei weitere Laderäume an. Sie werden zum Teil von den umgestürzten Ladebäumen überspannt. Wie auch in den vorderen Laderäumen finden sich hier Munition, Baumaterial und diverses Kriegsgerät. Die einstöckigen Aufbauten zwischen dem vierten und fünften Laderaum beherbergen die Kombüse sowie einige Vorratsräume. Am Heck fehlt inzwischen die Beplankung. Die roten Weichkorallen an der Reling sowie den Deckverstrebungen sorgen für die nötige Farbe. Gut lässt sich die Ruderanlage und die freiliegende Steuerkette erkennen. Unterhalb der Reling imponieren das gewaltige Ruderblatt sowie die Steuerbordschraube. Die Backbordschraube ist im Boden versunken. Unter dem Ruderblatt findet sich eine riesige künstliche Höhle, die nur durch zwei Ausgänge verlassen werden kann. Das Dämmerlicht trägt zu einer mystischen Stimmung bei. Wunderschön und empfehlenswert sind auch Nachttauchgänge an der Umbria.
Sehr zur Freude der Unterwasserfotografen hat sich die Umbria in den letzten Jahrzehnten in ein wunderschön bewachsenes künstliches Riff verwandelt, an dem sich seine zahlreichen Fisch-Bewohner gerne als Unterwasser Fotomodels üben. Auch Hans Hass und seiner Frau Lotte war es im Jahr 2007 in Erinnerung an ihre Pionierleistung auf einer Revival-Tour noch einmal vergönnt, sich noch einmal ein Bild von den Veränderungen an Bord zu machen.

Jetzt Sudan Tauchmagazin durchblättern.